Simon, Du hast bisher drei Alben veröffentlicht. Das erste Album war noch auf Englisch, nennt sich „Butterflying Dreams“. Dann bist du später aber doch zu deutschen Texten übergegangen in den Alben „Scheinbar unscheinbar“ und dein letztes Album „Egal, wohin das führt“. Wie kommt das?
Ich wurde von meinem Publikum ermutigt, doch mal deutsche Sachen zu machen. Ich habe mich hinter den englischen Texten immer ein bisschen versteckt, habe mich nicht so getraut. Vielleicht war ich auch zu schüchtern, deutsch zu singen. Das so auszudrücken, damit es jeder verstehen kann.
Ist das vielleicht auch so ein Jugendding, cool zu sein, wenn man Englisch singt?
Als ich Mitte der 90er so 14, 15 Jahre alt war, da kannte ich auch keinen wirklich coolen deutschen Sänger. Die entdecke ich erst jetzt, aber damals war das noch gar nicht meine Baustelle.
Heute gibt es ja ganz viele Leute, die Deutsch singen, die das famos und großartig machen. Und zu meiner Zeit dachte ich immer, ich müsste Schlager singen oder so wie Herbert Grönemeyer. Und beides war nicht so mein Ding.
Welche Musik hat dich in deiner Jugend beeinflusst?
Ich habe viel englischen Pop aus dem Radio gehört und Techno (lacht.) Das waren meine eigenen ersten Hörgewohnheiten, nachdem ich aufgehört hatte, das Zeug meiner Eltern zu hören. Der amerikanische Songwriter Michael W. Smith und der Kanadier Danny Plett haben mich mit ihren christlichen Texten stark beeinflusst.
Und heute? Ich kann mir vorstellen, dass Du als Musiker anders Musik hörst als der normale Konsument.
Was ich höre, ist total unterschiedlich. Je nachdem, was ich gerade gut finde. Von Jazz bis Heavy Metal. Ich höre auch Klassik. Bei meinem ersten englischen Album habe ich zum Beispiel sehr viel Jazz gehört. Nora Jones etwa. Das hört man bei „Butterflying Dreams“ auch heraus.
Wann war der Moment, wo du wusstest, dass du mehr machen willst als gelegentliche Schrammelmusik am Lagerfeuer?
Die Initialzündung gab es tatsächlich in der Schule, als meine Lehrerin Frau Meyer krank wurde. Ich habe mich in der Musikstunde einfach ans Klavier gesetzt, meine selbst geschriebenen Lieder vorgespielt und zum ersten Mal öffentlich vor Menschen gesungen. Ich fand das richtig cool! Auch, weil ich merkte: Hey, es gibt ja Leute, die hören mir zu und finden das sogar richtig gut! So gesehen ist Frau Meyer dafür zuständig, dass ich musikalisch heute da bin, wo ich bin.
Was war der Inhalt deiner Texte? Was beschäftigt einen 14-Jährigen?
Es ging um das, was ich erlebe, und wie ich das Erlebte verarbeite. Wir hatten in der Schule zum Beispiel einen Film über den 2. Weltkrieg angeschaut. Lauter Schwarzweiß-Bilder. Beklemmend. Daraus ist dann ein Song entstanden. Musik ist bis heute für mich ein Ventil. Alles, was ich sehe, erlebe, muss ja irgendwo hin. Ich kann das innerlich besser sortieren, wenn ich mich in Musik ausdrücke. Und dann spüre ich auch: Es gibt Leute, denen tut das gut, WAS mich bewegt und WIE mich das bewegt. Eins der größten Komplimente ist tatsächlich für mich, wenn man mir sagt: „Du hast Worte für das gefunden, was ich auch so empfinde, und nun weiß ich endlich, wie man das ausdrücken kann.“
Viele deiner Texte sind romantisch, gefühlvoll. Es geht um Liebe. Du bist ja auch Christ. Jedoch kommt das Wort Gott in deinen Texten gar nicht vor.
Ja, ich bin ein gläubiger Mensch. Für mich gibt es eine Dimension, die größer ist als das, was wir sehen, fühlen und spüren. Dass es da etwas gibt, und dass man mit dieser Welt auch in Kontakt kommen kann, ist schon lange für mich präsent. Ich bin ein spiritueller Mensch. Also, nicht allein durch diese Welt zu gehen, in Gott einen Begleiter, Freund, Ratgeber zu haben, – das ist, wovon meine Lieder handeln. Ich drücke meinen Glauben in Metaphern und Bildern aus. Und manche Leute spüren das. Nach einem Konzert in Potsdam kam mal eine Frau auf mich zu, die sagte: „Ich wusste nach drei Liedern: Der Typ glaubt!“
Wie definierst du Gott für dich, wie nimmst du seine Präsenz wahr?
Ich glaube schon, dass alle Menschen spirituelle Wesen sind, auch wenn sie es nicht unbedingt wahrnehmen oder von sich wissen. Es ist viel Spüren dabei. Es ist etwas, was du eben nicht mit deinen fünf Sinnen wahrnehmen kannst. Manchmal sehe ich Gott als Vater, wenn ich mit ihm spreche. Manchmal spüre ich Gott aber auch als Mutter. Das hängt jeweilig von meiner Situation ab. Das darf sich auch entwickeln und verwandeln. Gott ist für mich nicht „Entweder-Oder“. Gott ist für mich „Sowohl-als-Auch.“ Darüber habe ich auch ein Lied geschrieben, „Gold oder Holz“, darin setze ich mich mit meinen persönlichen Fragen an Gott auseinander.
Bist du ein Reisender?
Ich bin vor allem ein Reisender durch verschiedene Milieus. Ich kann mich ganz natürlich unter Künstlern bewegen aber auch mit Jugendlichen auf Augenhöhe unterhalten, die aus einem ganz anderen Milieu kommen, als ich etwa aufgewachsen bin. Und ich kriege durch meine Musik auch einen guten Zugang zu Senioren und älteren Leuten.
Magst du ältere Leute und ihre Geschichten?
Finde ich total spannend! Die älteren Menschen haben Erfahrungen gesammelt, von denen wir profitieren können. Diese Erfahrungen in die nächste Generation zu übertragen, das ist spannend. Es gibt einen Satz in meinem Leben, der mich sehr geprägt hat. Der hing bei meiner Mutter am Kühlschrank: „Ein Schiff, das im Hafen liegt, kannst du nicht lenken.“ Das bedeutet: Ich bin immer gern auf dem Weg. Deswegen handeln meine Lieder auch so gern vom Weg und von der Reise des Lebens.
Wie sind du und deine Band musikalisch aufgestellt?
Ich spiele Klavier und Gitarre und Ukulele auf meinen Konzerten und singe natürlich. Mitch Schlüter singt die 2. Stimme und spielt Gitarre. Moritz Brümmer sitzt am Cello, der singt die 3. Stimme. Und dann ist da noch aus Bremen Martin Denzin am Schlagzeug.
Du bist ein großer Freund von Wohnzimmerkonzerten …
Ja, da kann man mich tatsächlich über meine Internetseite buchen. Alles, was ich brauche, ist eine Steckdose. (lacht) Und einen Hut, – der wird dann rumgereicht, und man schmeißt am Ende des Konzerts Geld für die Band hinein. Mal ehrlich: Wohnzimmerkonzerte mag ich echt gern! Ich spiele überall! In Kellern, auf Dachböden, in Gartenlauben, sogar auf Lkw-Anhängern. Manche Leute machen ein Gartenkonzert draus, laden ihre Nachbarn ein oder schenken sich das zum Geburtstag. Letztes Jahr war ich in einer Gartenlaube hier im Neustädter Feld, da bin ich mit dem Bollerwagen losgezogen, alle Instrumente und die Technik drin. War ja gleich um die Ecke.
Du sagst, dein drittes Album, „Egal, wohin das führt“, sei dein Persönlichstes.
Das letzte Lied auf dem Album, „Alles geben“ habe ich für meine Frau Bettina geschrieben. Und dann habe ich einen Song gemacht für unsere drei Kinder, der heißt „Weltenbummler“. Darin geht’s um die ersten Schritte im Leben eines kleinen Menschen. Dass da jemand ist, der auf dich aufpasst, der dich begleitet „bis zum Horizont“, wie ich es ja in dem Lied auch singe.
Ich glaube, alle verliebten Väter schreiben irgendwann einen Song für ihre Kinder.
Ja, total! Ich wollte unbedingt dazu etwas machen und habe mir den Kopf zerbrochen, bin hin- und hergelaufen, habe nach Worten gesucht – hat aber alles nichts genutzt. Mir fiel nichts ein. Und irgendwann saß ich dann abends am Klavier. Ich hatte unseren zweiten Sohn auf dem Arm. Und mit der freien Hand fing ich dann ganz sachte an zu spielen, habe die Akkorde gewechselt, und dabei ist er auf meinem Schoß eingepennt. Die Sätze kamen ganz automatisch, wie „Die ersten Schritte fallen noch schwer …“. Und das Lied endet mit: „Sollst du jemals bis zum Horizont gehen, dann bleib dort nicht stehen.“
Simon, vielen Dank für das nette Interview.
Interview: Elvira Reichert
Dieser Artikel ist ein Auszug aus der 16. Ausgabe des NEUSTADTgeflüsters. Um weitere Artikel zu lesen, klicken Sie bitte auf den folgenden Link:
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